hr-iNFO Büchercheck: Der Sprengmeister von Henning Mankell

hr-iNFO Büchercheck: Der Sprengmeister von Henning Mankell

23.08.2018

Im Oktober 2015 ist Henning Mankell, der Schöpfer der Wallander-Krimi-Serie, im Alter von 67 Jahren gestorben. Jetzt, drei Jahre nach seinem Tod, erscheint der Roman, mit dem Mankell 1973 debütierte, erstmals in deutscher Übersetzung. Er heißt „Der Sprengmeister“. hr-iNFO Bücherchecker Alf Mentzer hat den Roman gelesen.

Worum geht es?
„Der Sprengmeister“ heißt Oskar Johansson. Er ist 23 Jahre alt, als er mit seiner Truppe einen Eisenbahntunnel durch einen Felsen sprengen soll. Als Johansson eine der Dynamitladungen kontrollieren will, explodiert sie. Er verliert ein Auge, die rechte Hand und vier Finger der linken - aber er überlebt. Er bleibt Sprenger, arbeitet, bis er in Rente geht, und führt bis zu seinem Tod im Jahr 1969 ein relativ ereignisarmes Leben: Er macht kein Aufhebens um seine Behinderung. Als seine Freundin ihn verlässt, heiratet er ihre Schwester. Politische Ereignisse nimmt er wahr, fühlt sich aber weitgehend unbeteiligt und verbringt die letzten Jahre in einer verlassenen Militärsauna auf einer Schäreninsel - eine Lebensgeschichte also, die mit einem Knall beginnt und danach eher leise dahin plätschert.

Wie ist es geschrieben?
Erzählt wird diese Lebensgeschichte von einem Autor, der Oskar Johansson kennenlernt, als der 68 Jahre alt ist, und der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Johanssons Leben als Geschichte eines Zeugen großer Umwälzungen zu erzählen – als Lebensgeschichte eines Arbeiters, der zum Opfer der Industrialisierung wurde und der die sozialen und geschichtlichen Veränderungen der letzten 50 Jahre hautnah miterlebt hat. Immer wieder besucht er Johansson in seinem Saunahäuschen , um ihn zu befragen, aber der gibt nur widerwillig Auskunft, kann sich kaum erinnern und meint, mit all den geschichtlichen Prozessen kaum etwas zu tun gehabt zu haben:

Er erklärt, er sei wie die anderen gewesen, mehr nicht. Ein Sprengmeister mit Familie. Er hat nicht das Gefühl, er hätte an den Veränderungen teilgenommen. Sie sind geschehen, und haben sein Leben beeinflusst. Aber er hat sie nicht selbst mitgestaltet. Der Arbeiter ist ein Bürger des Staates, aber es sind andere Kräfte, die diesen vorantreiben oder verändern. Das ist der Kern von Oskars Rede über seine Unscheinbarkeit. – An diesem Punkt sind wir uns nicht einig.

Die Spannung des Romans entsteht aus genau dieser Uneinigkeit, und aus der offenen Frage, wie man das Leben eines Mannes erzählt, dessen größte Leistung darin besteht, dieses Leben mit Würde und ohne viel Aufhebens gemeistert zu haben.

Wie gefällt es?
Wer die Spannung und Dramatik der Wallander-Krimis erwartet, wird von diesem Roman enttäuscht sein. Er ist eben kein Krimi, es ist der erste Roman eines jungen Autors, der sich fragt, wie das Leben der Schwachen und sozial Benachteiligten zum Gegenstand von Literatur werden kann. Es ist ein leiser und unaufdringlicher Roman, und wer den genauen und empathischen Blick Mankells auf seine Figuren schätzt, der wird auch hier auf seine Kosten kommen.

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gebundenes Buch, 192 S.
Sprache: Deutsch
Zsolnay Verlag Wien
ISBN: 9783552059016

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